Portugal Reisetipps: Fala português? (2)
Wie im ersten Teil unseres Abrisses über Portugiesisch als Sprache angekündigt, wollen wir heute auf die geschichtliche Entwicklung und die Varianten der "língua portuguesa" innerhalb und außerhalb Portugals eingehen. Lesen Sie deshalb "Sprechen Sie Portugiesisch? Über Europas unbekannte Weltsprache – Teil 2". Zu Teil 1 kommen Sie hier.
Portugiesisch: Die geschichtliche Entwicklung der Sprache
Das die portugiesische Sprache unzweifelhaft zur romanischen Sprachfamilie gehört beweist die Tatsache, dass 90% des heutigen Wortschatzes lateinischen Ursprungs ist.
Vom römischen Reich über die maurische Herrschaft bis zum Königreich Portugal
Das gesprochene Latein (Vulgärlatein) der römischen Soldaten und Siedler, die ab dem 3. Jahrhundert vor Christus die iberische Halbinsel zu besiedeln begannen, bildete die Grundlage für die Entwicklung aller romanischen Sprachen und damit auch des portugiesischen. Das Gebiet des heutigen Portugal südlich des Douro umfasste zur römischen Zeit die Provinz Lusitanien. Ab Anfang des 5. Jahrhunderts begann das römische Reich zu verfallen und damit einhergehend löste sich auch die sprachliche Einheit auf der iberischen Halbinsel mehr und mehr auf. Die eingedrungenen germanischen Völker wie Sueben oder Westgoten assimilierten zwar die römische Kultur und Sprache aber gleichzeitig entstanden immer mehr regionale Unterschiede. Aus verschiedenen Dialekten entwickelten sich eigene Sprachen, wie galizisch, katalanisch, kastilisch(spanisch) und portugiesisch.
Ab dem Jahre 711 kamen mit den Mauren neue Herrscher nach Iberien und arabisch wurde zur Verwaltungssprache. Die Bevölkerung behielt jedoch ihren romanischen Dialekt bei und so hielt sich der Einfluss des arabischen Idioms in Grenzen. Jedoch gibt es im heutigen portugiesischen Wortschatz im Gegensatz zu anderen romanischen Sprachen eine Reihe von Worten arabischen Ursprungs, vor allem aus dem Bereich Ernährung und Landwirtschaft, wie z.B. "açucar" (Zucker) oder "almoço" (Mittagessen) Ein bekanntes Beispiel ist auch der Begriff „Algarve“ (der Westen).
Ab dem 11. Jahrhundert lassen sich schriftliche portugiesischsprachige Dokumente nachweisen und am Ende des 13. Jahrhunderts, während der Regierungszeit von König Dinis, war portugiesisch quasi zur „Amtssprache“ geworden.
Bis zum 15. Jahrhundert hatte sich portugiesisch zu einer ausgereiften Sprache mit vielfältiger Literatur entwickelt.
Die Ausbreitung der Sprache Portugiesisch im Zeitalter der Entdeckungen
Portugals sogenannte goldene Zeitalter zwischen dem 14. Und 16. Jahrhundert brachte nicht nur die portugiesischen Kolonialherren sondern auch deren Sprache nach Asien, Afrika und Amerika. Gestützt auf den für damalige Verhältnisse weltumspannenden Handel wurde portugiesisch zur interkontinentalen Verkehrssprache. Begünstigt durch die christlich-missionarischen Aktivitäten der Portugiesen und einer Politik der Nicht-Abschottung gegenüber der einheimischen Bevölkerung, übernahmen die Menschen der eroberten Regionen die Sprache der Kolonialmacht.
Die Entwicklung seit der Renaissance
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts – von hier an spricht man vom „neu-portugiesisch“ gab es einen weiteren Schub von Lehnwörtern aus anderen Sprachen. Aus dem Italienischen vor allem Wörter aus den künstlerischen Bereichen Musik, Malerei, Theater. Spanische Wörter fanden Eingang durch die von 1580 bis 1640 erzwungene und bis heute als Schmach empfundene Personalunion mit der spanischen Krone. Das herausragendste portugiesischsprachige literarische Zeugnis jener Zeit ist das patriotische Epos "Os Luísiadas" von Luís de Camões. Daneben gilt er als einer der herausragendsten Lyriker Europas. Bis heute wird der Nationaldichter in Portugal verehrt und sein Todestag (10. Juni) ist einer der drei Nationalfeiertage Portugals. Die Entwicklung des "neu-portugiesischen" wurde jedoch nicht in allen Kolonien, in denen sich die Sprache zuvor verbreitet hatte, nachvollzogen. Daraus erklären sich vor allem die Unterschiede zwischen dem heutigen europäischen portugiesisch und der brasilianischen Variante. Auch wenn das portugiesische Weltreich längst zerfallen ist, die Sprache blieb, so zu erleben im heutigen Brasilien, in Angola, Mozambik, Kap Verde, Guinea-Bissau, São Tomé und Príncipe, Osttimor. Sogar im heutigen, von China regierten, Macau spielt portugiesisch noch eine große Rolle.
Die nachfolgende Animation zeigt im Zeitraffer und in Hundert-Jahre-Schritten die geschichtliche Ausbreitung der portugiesischen Sprache auf der Iberischen Halbinsel vom Jahr 1000 bis 2000.
Portugiesisch heute in seinen Varianten und Dialekten
Die Schriftsprache
Bereits 1990 hatten die portugiesischsprachigen Länder in einem Abkommen, dem Acordo Ortográfico, vereinbart, einen gemeinsamen internationalen Standard für die Schriftsprache zu etablieren. Zuvor gab es offiziell zwei Varianten des geschribenen Portugiesisch, nämlich:
- das europäisch/afrikanische Portugiesisch
- das brasilianische Portugiesisch.
Das Abkommen trat nach der Ratifizierung in Jahre 2008 in Portugal und Brasilien erst im Jahre 2009 in Kraft. Auch die Kapverden und São Tomé e Príncipe ratifizierten gleichzeitig, Guinea-Bissau später dieses Abkommen. Angola und Mosambik sind dem Vertrag bis heute noch nicht offiziell gefolgt.
Heute ist die offizielle Rechtschreibung in Brasilien und Portugal weitgehend identisch und nur noch für wenige Ausnahmen bestehen Unterschiede. Im Wortschatz der portugiesischsprachigen Länder gibt es jedoch durchaus Unterschiede, die sich auch aus der kulturellen Geschichte ergeben.
Hier zwei Beispiele:
Portugal Brasilien Angola Deutsch
autocarro ônibus machimbombo Bus
bairro de lata favela musseque Elendsviertel / Slum
Die gesprochene Sprache (Dialekte)
Keine Sorge, so extrem wie beim gesprochen Deutsch, bei welchem die Dialekte derart variieren können, dass sich ein Bewohner der Nordseeküste mit einen Schwarzwälder Bauern nur mit Hilfe der hochdeutschen Standardsprache verständigen kann, geht es im portugiesischen Sprachraum nicht zu. Dennoch gibt es natürlich Unterschiede im gesprochenen Portugiesisch.
Die portugiesische Kulturinstitution Instituto Camões, listet 32 ! portugiesische Dialekte auf, die sich auf drei Kontinente verteilen. Da erscheinen z.B. solch exotische Dialektbezeichnungen wie: "Fluminense" (Brasilien, Bundesstaat Rio de Janeiro), "Benguelense" (Angola, Provinz Benguela, "Santomense" (São Tomé e Príncipe, oder "Macaense" (Macau, China). Wir bitten unsere Leser um Verständnis, dass wir hier nicht in wissenschaftliche Tiefen und Details einsteigen können, sondern uns auf das Wesentliche beschränken.
Portugal
In Portugal wird das Standardportugiesisch, basierend auf der Sprache des zentralen Küstenstreifens mit Zentrum Coimbra als Estremenho (Nr. 3 im Bild links) bezeichnet. Zusammen mit der Hauptstadt Lissabon gilt Coimbra als sprachbildend in Portugal.
In Nordportugal (Minho, Alto-Douro und Trás-Os_Montes – (1)) ist die Verwandtschaft zum heutigen Galizischen in Norwestspanien sehr groß. Die spanischen "Gallegos" auf der anderen Seite der Grenze können sich mit ihren nordportugiesischen Sprachverwandten problemlos unterhalten. Die Sprache der Nordportugiesen klingt insgesamt prononcierter und nicht ganz so weich wie die der Landsleute im Süden. Im Norden werden Doppellaute wie "ei" und "ou" getrennt ausgesprochen, während weiter südlich der erste Laut im Diphtong die Oberhand gewinnt. Eine Besonderheit bildet das Gebiet um die Stadt Miranda do Douro, (2) im äußersten Nordosten Portugals an der spanischen Grenze gelegen. Hier wird eine eigene Sprache, das "Mirandês" gesprochen, welches sich aus einem asturisch-leonesischen Dialekt ableitet.
Den Bewohnern des zentralen Hinterlandes, der Beira (4) wird ebenfalls ein eigener Dialekt zugeschrieben, wobei die Grenzen gen Norden und Süden fließend sind.
In Südportugal pflegen die Einwohner des Alentejo (5) ihren besonderen melodischen Duktus. (gerne von den Nordportugiesen als "Gesang" verspottet). Ein Alentejano zieht z.B. das "i" bei der Begrüßung "Bom Dia" ganz lang. Auch die Bewohner der Provinz Algarve (6), die Algarvios haben einen ganz speziellen Slang. Vokale am Wortanfang und Wortende werden nahezu unhörbar ausgesprochen, sozusagen verschluckt. Aus "obrigado" (danke) wird somit " 'brigad' ". Auch wenn man des Portugiesischen einigermaßen mächtig ist – einem einheimischen Bauern oder Fischer von Algarve im Gespräch zu folgen, erfordert höchste Konzentration.
Nicht zu vergessen sind die zu Portugal gehörenden Inselgruppen der Azoren und Madeira, wo ebenfalls regionale Dialekte (Açoriano bzw. Madeirense) gesprochen werden.
Afrika und Asien
Das Standardportugiesisch Estremenho war und ist auch die Basis für die Sprache in den ehemaligen Kolonien in Afrika (Angola, Mozambik, Kap Verde, Guinea Bissau) und Asien (Osttimor, Macau). Eine Ausnahme bildet der afrikanische Staat São Tomé e Príncipe. Dort wird ein eher "brasilianisch gefärbtes " Portugiesisch gesprochen.
Brasilien
Wie oben beschrieben, unternimmt man große Anstrengungen innerhalb der portugiesischsprachigen Welt, um einen einheitlichen Standard zu schaffen bzw. zu bewahren. Dennoch weicht das gesprochene brasilianische portugiesisch am meisten vom Standard Estremenho ab. Dies wird sich, schon allein auf Grund der Größe und Bedeutung Brasiliens, der Vielzahl seiner Sprecher und nicht zuletzt seiner Medienmacht, nicht zurückdrehen lassen. Ein Brasilianer hat außerdem mehr Schwierigkeiten einen europäischen Portugiesen zu verstehen, als umgekehrt. Ein Umstand der ebenfalls dafür sorgt, dass der Nicht-zu-Verstehende sich im Gespräch anpassen muss.
Innerhalb Brasiliens haben die Standard-Aussprachen von Rio de Janeiro (Fluminense) und São Paulo (Paulistano) den größten Einfluss. Im südamerikanischen Riesenreich werden eine Menge regional unterschiedliche Dialekte gesprochen. Die wichtigsten haben wir versucht in der fogenden Karte darzustellen.
2 Capixaba
3 Fluminense (Rio de Janeiro)
4 Baiano
5 Gaúcho
6 Mineiro
7 Nordestino
8 Nortista
9 Paulistano (São Paulo)
10 Sertanejo
11 Sulista
Zum Ende unseres Artikels möchen wir noch ein nettes Beispiel zum anhören präsentieren. Die Germanistik Fakultät der Uni Halle hat eine Passage aus der Erzählung "Der Kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry in hundert verschiedenen geprochenen Versionen ins Netz gestellt, darunter auch in vier portugiesischen Sprachvarianten.
Hören Sie bitte einen Auszug aus "O Principezinho" zum einen vorgelesen im Lissabonner Duktus (1), zum anderen nach Sprechart von São Paulo, Brasilien (2). Man erkennt unschwer die Verschiedenartigkeit der beiden Aussprachen.
Unser Fazit: Portugiesisch, die weltweit am dritthäufigsten gesprochene Sprache europäischen Ursprungs, hat unserer Meinung nach in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch mehr Aufmerksamkeit verdient. Haben wir auch diesmal Ihre Neugier geweckt?
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