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War­um Por­tu­gals nied­ri­ge Asyl­be­wer­ber-Quo­ten nicht auf Frem­den­feind­lich­keit hinweisen

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Kürz­lich hat Euro­stat, dass sta­tis­ti­sche Amt der Euro­päi­schen Uni­on, Zah­len zu einem The­men­be­reich ver­öf­fent­licht, der vie­le bewegt: Asyl­be­wer­bun­gen und Flücht­lings­strö­me. Unter ande­rem zei­gen die Zah­len, dass Por­tu­gal zu den EU-Mit­glie­dern zählt, die gemes­sen an der Bevöl­ke­rungs­zahl die nied­rigs­te Asyl­be­wer­ber­quo­te auf­wei­sen. War­um das Land an der Süd­west­spit­ze von Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pa den­noch nicht als frem­den­feind­lich ange­se­hen wer­den kann, lesen Sie hier.

Asylbewerbungen
Die Ent­wick­lung der Zahl der Asyl­be­wer­bun­gen in der EU | Quel­le: Eurostat

Wie Euro­stat fest­stellt, ist in den EU-Mit­glieds­staa­ten von April bis Juni die Zahl der Per­so­nen, die dort erst­mals Asyl bean­tragt haben, um sechs Pro­zent gegen­über dem ers­ten Quar­tal die­ses Jah­res gestie­gen. Für Deutsch­land wie für Por­tu­gal lag das Wachs­tum sogar bei jeweils sie­ben Pro­zent. Die Gesamt­zahl lag EU-weit bei 305.700 Antrag­stel­lern. Das ent­spricht dem Drei­fa­chen des Wer­tes von Anfang 2014 und liegt in etwa auf dem Niveau von Mit­te ver­gan­ge­nen Jah­res. Deutsch­land zähl­te im zwei­ten Quar­tal die­ses Jah­res allein 186.745 Asyl­be­wer­ber, Por­tu­gal hin­ge­gen nur 160 Asylsuchende.

Schau­en wir uns zunächst die Zah­len, die von Euro­stat stam­men, etwas genau­er an. Die natio­na­le por­tu­gie­si­sche Behör­de INE macht auf ihrer Web­sei­te zum The­ma Asyl lei­der kei­ne Anga­ben. In Por­tu­gal ent­schei­det die Frem­den­po­li­zei SEF über gestell­te Asyl­an­trä­ge – weit­ge­hend eigen­stän­dig. Es gibt kaum Infor­ma­tio­nen über ihre Arbeit.

Setzt man die von Euro­stat berich­te­te Zahl erst­ma­li­ger Asyl­be­wer­ber ins Ver­hält­nis zur Ein­woh­ner­zahl des Lan­des, in dem der Antrag gestellt wird, sind laut Euro­stat Deutsch­land, Ungarn, Öster­reich und Grie­chen­land am stärks­ten gefor­dert. Wäh­rend es in Deutsch­land im zwei­ten Quar­tal 2016 rund 2.273 Asyl­be­wer­ber je eine Mil­li­on Staats­bür­ger waren, lag der Wert für Ungarn bei 1.517, für Öster­reich bei 1.241 und für Grie­chen­land bei 1.113.

Nur Slo­wa­kei und Rumä­ni­en haben gerin­ge­re Asyl­be­wer­ber-Quo­ten als Portugal

Por­tu­gal gehört zu den EU-Län­dern mit den nied­rigs­ten Asyl­be­wer­ber-Quo­ten. So sehen in die­sen Staa­ten die Wer­te pro eine Mil­li­on Ein­woh­ner aus:

Asylbewerber EU-weit
Asyl­be­wer­ber EU-weit. Stand 2015 | Quel­le: Eurostat

Slo­wa­kei: 2

Rumä­ni­en: 11

Por­tu­gal: 15

Litau­en: 24

Est­land: 26

Tsche­chi­en: 26

Der Durch­schnitts­wert für alle EU-Mit­glieds­län­der lag im zwei­ten Quar­tal bei 599 erst­ma­li­gen Asyl­be­wer­bern je eine Mil­li­on Ein­woh­ner. Nur zum Ver­gleich der Dimen­sio­nen: Liba­non mit sei­nen vier Mil­lio­nen Ein­woh­nern hat bis­lang 1,2 Mil­lio­nen Men­schen aus dem Nach­bar­land Syri­en aufgenommen.

Aller­dings berück­sich­tigt der Ver­hält­nis­wert von Asyl­be­wer­bern pro Ein­woh­ner nicht aus­rei­chend die Wirt­schafts­kraft eines Lan­des, die für die Bewäl­ti­gung des Zustroms von Zuflucht suchen­den Ver­folg­ten, die aus ihren Län­dern geflüch­tet sind, wich­tig ist. Ande­re Fak­to­ren müs­sen bei der Bewer­tung der Auf­nah­me­fä­hig­keit eines Lan­des mit­be­rück­sich­tigt wer­den, etwa das Brut­to­in­lands­pro­dukt oder das Steueraufkommen.

Für die Ver­tei­lung von Asyl­su­chen­den inner­halb Deutsch­lands auf die Bun­des­län­der berück­sich­tigt der so genann­te "König­stei­ner Schlüs­sel" bereits gewich­te­te Indi­ces wie Ein­woh­ner­zahl (ein Drit­tel) und Steu­er­auf­kom­men (zwei Drit­tel). Etwas Ähn­li­ches könn­te Schu­le machen in Euro­pa – mit ent­spre­chend unter­schied­li­chen Aus­wir­kun­gen auf die Mit­glieds­län­der. Deutsch­land und Schwe­den dürf­ten wohl ent­las­tet wer­den. Die gro­ßen EU-Mit­glie­der Frank­reich und Groß­bri­tan­ni­en wären jedoch sicher für mehr Asyl­su­chen­de zustän­dig: Der fran­zö­si­sche Anteil wür­de sich – wie Medi­en aus­rech­ne­ten – danach fast um die Hälf­te erhö­hen, der bri­ti­sche ver­drei­fa­chen. Auch für Por­tu­gal und Spa­ni­en wäre die Kon­se­quenz, dass sie stär­ker ins Obli­go gehen müssten.

Por­tu­gal regis­trier­te 2015 nur gut 710 Asyl­an­trä­ge – warum?

Fakt ist jeden­falls: In Por­tu­gal sind bis­lang nur weni­ge Flücht­lin­ge ange­kom­men; einen Mas­sen­an­drang gab es auf der gan­zen ibe­ri­schen Halb­in­sel nicht. Nach­bar Spa­ni­en mel­de­te 2015 gut 10.200 gestell­te Asyl­an­trä­ge, Por­tu­gal nur etwas mehr als 710. Laut dem Por­tal statista.com liegt die monat­li­che Zahl der Asyl­be­wer­ber-Erst­an­trä­ge in Por­tu­gal seit Juni 2015 jeweils deut­lich unter 90. Der nied­rigs­te Stand in den ver­gan­ge­nen zwölf Mona­ten wur­de im Febru­ar 2016 mit 35 Erst­an­trä­gen in Por­tu­gal verzeichnet.

Zusam­men mit Spa­ni­en hat­te Por­tu­gal zunächst gegen einen ver­pflich­ten­den Schlüs­sel zur Ver­tei­lung von Flücht­lin­gen auf die EU-Mit­glieds­län­der votiert, sich dann aber im Febru­ar die­ses Jah­res bereit­erklärt, im Rah­men der Flücht­lings­um­ver­tei­lung bis zu 10.500 Men­schen auf­zu­neh­men – als Zei­chen der Soli­da­ri­tät. Das Land, das vie­le Jah­re als Defi­zit­sün­der dastand, möch­te in einer Zeit, da sich vor allem ost­eu­ro­päi­sche EU-Län­der abschot­ten, sicher auch ein wenig glänzen.

Por­tu­gal war­tet auf Flüchtlinge

"Por­tu­gal war­tet unge­dul­dig auf Flücht­lin­ge", schrieb die Schwei­zer NZZ Anfang Juni und stell­te "viel Gast­freund­schaft – aber wenig Andrang" fest. Wel­che Grün­de gibt es dafür, dass es so weni­ge Flücht­lin­ge in den Wes­ten der ibe­ri­schen Halb­in­sel zieht?

Fluchtrouten
Ein Blick auf eine Skiz­ze wesent­li­cher Fluchtrouten

Ein Blick auf die Land­kar­te lässt schnell erken­nen, dass die Flucht­rou­ten nach Ost- bzw. Zen­tral­eu­ro­pa deut­lich kür­zer sind als nach West- oder Nord-Euro­pa. Hin­zu kommt: Die meis­ten Flücht­lin­ge wäh­len ihre Zie­le auf­grund all­ge­mein zugäng­li­cher Infor­ma­tio­nen aus und ver­su­chen, in die Nähe bereits neu ange­sie­del­ter Fami­li­en­mit­glie­der oder klei­ner Kolo­nien ihrer Lands­leu­te zu gelangen.

Dies alles lässt Por­tu­gal nicht gera­de einen bevor­zug­ten Platz auf der Ziel-Lis­te von Flüch­ten­den haben. Beob­ach­ter gehen davon aus, dass das Land an der Süd­west­spit­ze Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pas unter vie­len Flüch­ten­den kaum bekannt ist. Und kri­mi­nel­le Schleu­ser­ban­den dürf­ten mit weit über­zo­ge­nen Ver­spre­chun­gen, bei­spiels­wei­se für Woh­nun­gen und Wohl­stand, eher für eine Flucht in näher gele­ge­ne und/oder wohl­ha­ben­de­re EU-Mit­glieds­län­der werben.

Flüchtlinge willkommenUnter por­tu­gie­si­schen Innen­po­li­ti­kern hat es um die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen bis­lang prak­tisch kei­nen offen aus­ge­tra­ge­nen Dis­kurs gege­ben. In der Aus­län­der­po­li­tik gibt es unter den gro­ßen Par­tei­en meist einen Grund­kon­sens. Eine frem­den­feind­li­che Bewe­gung, mit der deut­schen Pegi­da ver­gleich­bar, ist bis­lang nicht sicht­bar gewor­den. Por­tu­gal hat Platz und Insti­tu­tio­nen und Orga­ni­sa­tio­nen, die sich um Frem­de küm­mern kön­nen. Das Land braucht, genau genom­men, sogar den Zustrom von arbeits­fä­hi­gen Men­schen. Denn es hat die nied­rigs­te Gebur­ten­ra­te der EU und gleich­zei­tig wan­dern vie­le jun­ge Por­tu­gie­sen ins Aus­land ab, um dort berufs­tä­tig zu sein.

Meis­tens Syrer, aber auch vie­le Afgha­nen und Iraker

Zurück zur Quel­le Euro­stat. Wie das Amt berich­tet, führ­ten im zwei­ten Quar­tal nach wie vor Syrer die Lis­te der Asyl­su­chen­den an, vor Afgha­nen und Ira­kern. Auf die­se drei Grup­pen ent­fie­len fast 60 Pro­zent aller Asylbewerber.

Laut Euro­stat wur­den die meis­ten erst­ma­li­gen Asyl­be­wer­ber in Deutsch­land regis­triert (61 Pro­zent). Danach fol­gen mit weit­aus klei­ne­ren Antei­len Ita­li­en (9 Pro­zent), Frank­reich (6 Pro­zent), Ungarn (5 Pro­zent) und Grie­chen­land (4 Pro­zent). In Grie­chen­land und Ungarn ver­dop­pel­te sich die Zahl der Asyl­su­chen­den im zwei­ten Quar­tal 2016, in Polen (plus  65 Pro­zent) und in Spa­ni­en (plus 37 Pro­zent) stieg sie deut­lich. In den nor­di­schen EU-Mit­glieds­staa­ten sowie in Bel­gi­en, den Nie­der­lan­den und Öster­reich wur­den hin­ge­gen deut­li­che Rück­gän­ge verzeichnet.

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