Neues Klassik-Musikfestival wertet Algarve-Kulturangebot auf
Mit der Neuauflage eines internationalen Klassik-Musikfestivals reichert Portugals Südküste in den Frühlingsmonaten März bis Mai ihr kulturelles Angebot weiter an. Den Großteil der 20 Konzerte zwischen dem 18. März und 28. Mai bestreitet das „Orquestra Classica do Sul“ (OCS), das auch Veranstalter des zehnwöchigen Festivals geworden ist. Insgesamt 30 Orchester, Ensembles und Solisten aus Portugal, Spanien, Dänemark, Großbritannien, Israel und Frankreich musizieren in zehn Städten der Region und werten so das Rahmenprogramm „365 Algarve“ auf. Dessen Managerin Dália Paulo reagiert auf den Vorwurf der Erfolglosigkeit, den kürzlich der Hotelierverband AHETA erhoben hatte.
Der Titel der zehnwöchigen Veranstaltungsreihe, die nach rund achtjähriger Pause revitalisiert wird, lautet „Festival Internacional de Música do Algarve“ (FIMA). Künstlerischer Direktor ist Rui Pinheiro, der Chefdirigent des OCS, des Tournee-Orchesters für die Algarve und den Alentejo. Der 41-Jährige hat für die 32. Ausgabe eines der ältesten portugiesischen Musikfestivals ein vielfältiges Programm mit Orchester‑, Kammer- und geistlicher Musik zusammengestellt. Tickets gibt es zu Preisen ab acht Euro bei den bekannten Vorverkaufsstellen und online auf der FIMA-Webseite.
Zu den außergewöhnlichen Angeboten gehören diesmal ein Multimedia-Konzert des französischen Hornisten Laurent Rossi, das Ballett „Matrioska“ mit der Companhia de Dança do Algarve und ein musikalisches Abendessen unter dem Titel „Food Symphony“, das in einem Hotel von Quinta do Lago Ohren und Gaumen verwöhnen soll. Die stilistische Spannweite des gesamten FIMA-Programms reicht vom Barock (Vivaldi, Bach und Telemann) über Klassik (Haydn, Mozart, Beethoven) und Romantik (Schubert, Brahms, Dvořák, Tschaikowsky, Mussorgsky) bis hin zu Komponisten der Moderne wie Debussy, Schönberg, Strawinsky, Prokofjew und Schostakowitsch.
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Zum Auftakt des Klassik-Festivals die Ode an die Freude
Auch Werke zeitgenössischer portugiesischer Komponisten wie Eurico Carrapatoso und Luis Carvalho sind vertreten, ergänzt um Uraufführungen von Stücken von Luís Soldado und Sérgio Azevedo. Das Eröffnungskonzert am 18. März im Teatro das Figuras in Faro trägt den Titel „Ode to Joy“: Unter der Leitung von Festivaldirektor Rui Pinheiro spielt das Orquestra Classica do Sul (hier ein Aufführungsbeispiel als YouTube-Video) in einer Welturaufführung das Stück „Eu.Rope“ von Luis Soldado. „Darin reflektiert der Komponist darüber, was es bedeutet, ein Europäer in der globalisierten Welt zu sein“, erläutert Pinheiro. Sein Orchester führt an diesem Abend zusammen mit dem Coro Sinfonico Lisboa Cantat und den Solisten Carla Simões, Cátia Moreso, João Cipriano und Nuno Araújo Pereira auch Beethovens neunte Symphonie auf.
„Die langjährige Pause war gut, um unser Klassikmusikfestival zu erneuern und aufzufrischen“, sagt Alexandra Gonçalves von der Regionaldirektion Kultur der Algarve. Das FIMA wolle sowohl den Bewohnern Berührungsängste im Kontakt mit Musikschaffenden nehmen, als auch Botschaften an die Touristen übermitteln. „Diese haben hier im Urlaub die große Chance, eine besondere musikalische Erfahrung zu machen“, ergänzt Goncalves.
Auch Dalia Paulo, Managerin des Kulturprogramms „365 Algarve“ pflichtet ihr bei. „Wir haben dem Wandel im kulturellen Leben der Algarve entsprochen und wollen mit dem Klassikfestival wieder besser die Bedürfnisse des Publikums stillen“, erläutert sie.
Klassik-Festivalleiter möchte noch mehr ausländische Musiker
Festivalleiter Rui Pinheiro findet es einerseits sinnvoll, dass die Algarve den Vorteil nutzt, mit dem OCS ein eigenes professionelles Orchester einsetzen zu können, möchte andererseits aber vom kommenden Jahr an noch mehr Dirigenten und Solisten aus dem Ausland verpflichten: „Diesmal hatte ich – mal ganz abgesehen von den Budgetzwängen – nur einen Monat Zeit, um meine Kontakte spielen zu lassen und die Verfügbarkeit von Künstlern zu klären“, berichtet der Dirigent. Um noch mehr Internationalität zu gewährleisten, wollen Pinheiro und die anderen Verantwortlichen künftig auch den Kontakt zu Botschaften und Kulturausstausch-Institutionen der wichtigsten Herkunftsländer von Touristen verstärken.
Das Klassikmusikfestival gebe seinem Orchester, das im Durchschnitt ein- bis dreimal pro Woche im südlichen Portugal auftritt, die Chance, „das Profil unserer Konzerte zu schärfen, denn wir haben so mehr Möglichkeiten als sonst“, so Pinheiro. Der Maestro, dessen bewundertes Vorbild Carlos Kleiber ist und der das gesamte Repertoire deutscher Komponisten des 18. Jahrhunderts bevorzugt, rechnet beim FIMA überall mit ausverkauften Häusern. Der Anteil an ausländischen Residenten und Touristen hänge erfahrungsgemäß stark vom Spielort ab, es gebe aber in diesem Kreis von Klassikliebhabern eine treue Anhängerschaft.
Die Liste der Aufführungsorte umfasst Albufeira, Castro Marim, Faro, Lagoa, Lagos, Loulé, São Bras de Alportel, Silves, Tavira und Quinta do Lago. Portimão fehle, weil zu den gewünschten Zeitpunkten der am besten geeignete Veranstaltungsort Tempo nicht zur Verfügung stehe, hieß es.
365 Algarve: Programmchefin mahnt zu Geduld und verspricht Änderungen
Auf Kritik an dem von ihr verantworteten Rahmenprogramm „365 Algarve“ angesprochen, mahnt Kulturmanagerin Dália Paulo zu Geduld und Augenmaß: „Feedback ist immer gut. Aber die genauen Gründe, weshalb z.B. der Hotelierverband AHETA das Angebot bemängelt, kenne ich nicht im Einzelnen“, sagt die Mitarbeiterin des Kulturministeriums in Lissabon. Man müsse bedenken, dass es 2016 nur drei Monate Vorlaufzeit gegeben habe, bevor das umfangreiche Programm im Oktober gestartet worden sei.
Paulo verweist darauf, dass von Beginn an Experten der Universität in Faro Begleitforschung zu den Effekten von „365 Algarve“ durchführen – sowohl bei Veranstaltungsteilnehmern, als auch unter der einheimischen Wohnbevölkerung sowie unter ausländischen Residenten und Touristen. „Wir sollten diese Evaluierung durch die Universität, die noch etwas Zeit benötigt, abwarten, bevor wir unser Urteil fällen“, apelliert die Managerin.
Für die bevorstehende Neuauflage erwartet sie, dass das Programm im Juni feststeht und von Juli bis September erstmals intensiv im In- und Ausland beworben werden kann. „Wir werden die Verbindungen zwischen Kultur und Tourismus noch verstärken und das Programm zum Beispiel auch für Unternehmen aus beiden Bereichen öffnen, die auf beiden Feldern im Gebiet der Unterhaltung tätig sind“, kündigt Paulo an. Das Bindeglied zwischen allen Akteuren sei „die Region, unsere Identität, das heutige Schaffen“.
Residenten und Touristen sollen sich besser angesprochen fühlen
365 Algarve wolle in der Zukunft noch weit mehr ausländische Urlauber und Einwohner erreichen, kündigt die Programm-Managerin an. Im ersten Quartal der laufenden Periode lag deren Anteil an den Besuchern bei rund 25 Prozent. Allein schon durch das Klassikfestival FIMA werde dieser Prozentsatz wachsen, sagt Paulo voraus. Für den nächsten Zeitraum würden auf jeden Fall nur solche Angebote ins Programm aufgenommen, die für Ausländer zugänglich seien und zumindest zweisprachig kommuniziert würden.
Um eine persönliche Botschaft an alle nicht-portugiesischen Kulturinteressierten an der Algarve gebeten, sagt Paulo: „Bitte kommen Sie zu allen unseren Veranstaltungen, denn 365 Algarve ist ein Programm, durch das wir uns und unsere Kulturen gegenseitig kennenlernen können, zum Nutzen im Alltag“. Besonders empfehlenswert für Gäste aus dem Ausland findet sie solche Angebote, bei denen regionale Traditionen und Sprachliches auf der Tagesordnung stehen. „Wer den anderen und seine Kultur versteht, betrachtet die Welt einfach mit anderen Augen“, bringt Paulo den Nutzen auf den Punkt.