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Archäo­lo­gen fin­den Fischsoßen-Fabrik

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An der Algar­ve haben Archäo­lo­gen aus Deutsch­land und Por­tu­gal jetzt Über­res­te einer Fisch­so­ßen-Pro­duk­ti­on aus römi­scher Zeit ent­deckt. Sie stie­ßen bei Aus­gra­bun­gen in Boca do Rio bei Budens auf Tanks aus der Zeit zwi­schen dem ers­ten und fünf­ten Jahr­hun­dert nach Chris­tus. Damals wur­de die Algar­ve-Fisch­so­ße „Garum“ in Ampho­ren zunächst ins heu­ti­ge Cadiz gebracht und von dort ins gan­ze römi­sche Reich ver­schifft. Haupt­ab­neh­mer war die römi­sche Armee.

 

Archäologen stoßen an der Algarve auf römische Tanks für Fischsoßen-Produktion
Am Strand von Boca do Rio zer­stör­te 1755 der Tsu­na­mi die gut erhal­te­ne römi­sche Vil­la, neben der die Fisch­so­ße Garum pro­du­ziert wur­de. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

„Geo­ma­gne­tik und Geo­elek­trik haben uns auf die kon­kre­te Fähr­te geführt“, berich­tet Flo­ri­an Her­mann. Er ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter vor Ort und gehört zum Team von Pro­jekt­lei­ter Prof. Félix Teich­ner von der Phil­ipps-Uni­ver­si­tät Mar­burg. Part­ner auf por­tu­gie­si­scher Sei­te ist Prof. João Pedro Ber­nar­des von der Uni­ver­si­tät der Algarve.

 

Archäo­lo­gen ver­wen­den zer­stö­rungs­freie Methoden

 

Archäologen aus Marburg finden an der Algarve Fischsoßen-Produktion
Archäo­lo­ge Flo­ri­an Her­mann, Uni Mar­burg. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Geo­ma­gne­tik und Geo­elek­trik sind bei­des zer­stö­rungs­freie Metho­den der archäo­lo­gi­schen Erkun­dung. Sie zei­gen laut Her­mann jeweils auf unter­schied­li­che Wei­se an, wel­che Anoma­lien es an wel­cher Stel­le im Boden einer ver­mut­li­chen Fund­stät­te es gibt. „So konn­ten wir bei unse­ren Gra­bun­gen hier fast zen­ti­me­ter­ge­nau anset­zen“, erläu­tert der Grabungsleiter.

Das deutsch-por­tu­gie­si­sche Team, zu dem noch elf Stu­die­ren­de aus Deutsch­land, Por­tu­gal und Bra­si­li­en gehö­ren, konn­te sich dank der Vor­ar­beit des por­tu­gie­si­schen Archäo­lo­gen Está­cio da Vei­ga auf den Ein­satz vor­be­rei­ten. Er hat­te bereits im 19. Jahr­hun­dert das dor­ti­ge Gelän­de prä­zi­se kartografiert.

Die Archäo­lo­gen stie­ßen am Hang seit­lich der Fluss­mün­dung am Strand von Boca do Rio auf drei gemau­er­te Tanks. Sie sind mit Opus Signi­num, einem römi­schen was­ser­un­durch­läs­si­gen Est­rich aus­ge­klei­det und haben rund 4,5 Kubik­me­ter Fassungsvermögen.

Archäologen aus Portugal und Deutschland bei Grabungen an der Algarve in Boca do Rio
Deutsch-por­tu­gie­si­sche Archäo­lo­gen-Zusam­men­ar­beit an der Algar­ve in Boca do Rio. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

„Fisch­kno­chen und sons­ti­ge Über­res­te aus ver­gleich­ba­ren Anla­gen aus der Algar­ve bewei­sen: In die­sen Tanks wur­de zunächst eine Lage Fisch, dann eine Lage Salz, dann wie­der eine Lage Fisch und so wei­ter auf­ein­an­der­ge­schich­tet und dann fer­men­tiert“, so der Mar­bur­ger Archäologe.

Es han­del­te sich um frisch gefan­ge­ne, nicht aus­ge­nom­me­ne Fische aus dem Atlan­tik. Sie wur­den mit gro­bem Salz für drei Mona­te unter glü­hen­der Son­ne fer­men­tiert. Die ent­stan­de­ne Flüs­sig­keit fil­ter­ten die Pro­du­zen­ten und füll­ten sie in Tonamphoren.

Bei der Her­stel­lung von Garum ent­stand ein so übler Geruch, dass die Pro­duk­ti­on in Wohn­ge­bie­ten manch­mal ver­bo­ten war. Kein Wun­der, dass die Pro­duk­ti­ons­stät­te von Budens in der Nähe des klei­nen Hafens von Boca do Rio am Strand lag…

Die fer­ti­ge Fisch­so­ße, das Garum, setz­te die anti­ke römi­sche Küche als uni­ver­sel­les Gewürz ein. Es wur­de für sal­zi­ge wie auch süße Spei­sen etwa so häu­fig ver­wen­det, wie Fisch- und Soja­so­ße heu­te in der asia­ti­schen Küche zum Ein­satz kommen.

 

Archäo­lo­gen: Haupt­ab­neh­mer für Algar­ve-Fisch­so­ße "Garum" war Armee

 

Archäologen aus Portugal und Deutschland finden an Algarve römische Fischsoßen-Produktion
Joao Pedro Ber­nar­des, Archäo­lo­gie-Pro­fes­sor der Uni­ver­si­tät der Algar­ve, Faro. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Zum Trans­port füll­ten die Pro­du­zen­ten in Boca do Rio ihre Algar­ve-Fisch­so­ße in etwa 90 Zen­ti­me­ter hohe Ampho­ren ab. Direkt neben der Pro­duk­ti­ons­stät­te in Boca do Rio konn­te die Fracht auf Boo­te ver­la­den wer­den, die im geschütz­ten Teil einer klei­nen Lagu­ne fest­mach­ten. Heu­te befin­det sich dort ein Park­platz, auf dem Algar­ve-Urlau­ber ihre Autos und Wohn­mo­bi­le abstellen.

„Die Logis­tik war damals im römi­schen Reich ähn­lich auf­ge­baut wie in unse­rer heu­ti­gen Wirt­schaft“, ver­rät Archäo­lo­ge Ber­nar­des. Das dezen­tral an der Algar­ve-Küs­te und in Nord­afri­ka pro­du­zier­te Garum wur­de zunächst in den zen­tra­len Ver­la­de­ha­fen Cadiz (frü­her Gades genannt) gebracht. Von dort aus ging das Pro­dukt, das zum Bei­spiel zur Grund­ver­sor­gung der römi­schen Armee gehör­te, zu vie­len Stel­len des Welt­reichs. „Auch in Pom­pe­ji konn­ten zum Bei­spiel Scher­ben von Ampho­ren gefun­den wer­den, die aus der Algar­ve stam­men“, sagt der por­tu­gie­si­sche Archäologe.

Archäologen aus Marburg forschen an der Algarve bei Boca do Rio
Schür­fen tief: Archäo­lo­gen aus Mar­burg an der Algar­ve. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

Ber­nar­des befasst sich schon seit vie­len Jah­ren mit For­schung rund um die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung der Algar­ve in der Anti­ke. „Kno­chen einer rund 40-jäh­ri­gen Toten, die wir in einer Grab­stät­te auf dem Hügel ober­halb von Boca do Rio fan­den, zei­gen anhand von Abnut­zungs­er­schei­nun­gen, wie hart die Arbeit rund um den Fisch­fang schon damals war“, berich­tet Ber­nar­des. Fun­de zeig­ten dem For­scher auch, dass es im Ver­lauf der Jah­re Ver­än­de­run­gen bei der Grö­ße der Ampho­ren und der Behäl­ter gab, in denen das begehr­te Algar­ve-Pro­dukt Garum ver­schifft wurde.

Wem die Fisch­so­ßen-Fabri­ka­ti­on von Boca do Rio gehör­te, weiß nie­mand. „Viel­leicht der Fami­lie, die direkt neben­an am Strand eine schö­ne Vil­la bewohn­te“, ver­mu­tet Ber­nar­des. Mosa­ik­res­te aus dem Gebäu­de, des­sen Res­te aus der Ufer­kan­te noch her­aus­ra­gen, sowie die Abbil­dung eines Man­nes auf einem Stück bemal­ten Wand­put­zes konn­ten vor drei Jah­ren ent­deckt und gebor­gen wer­den. Sie sind im Muse­um von Lagos bzw. in Vila do Bis­po zu bestaunen.

 

Tsu­na­mi von 1755 deck­te laut Archäo­lo­gen vie­les zu

 

Archäologen an der Algarve werden bei der Arbeit beobachtet
Vie­le Wan­de­rer und Bade­gäs­te beob­ach­ten die Archäo­lo­gen in Boca do Rio bei der Arbeit. Foto: Hans-Joa­chim Allgaier

 

„Der Tsu­na­mi nach dem schlim­men Erd­be­ben von 1755, das hef­ti­ge Zer­stö­run­gen in ganz Por­tu­gal her­vor­rief, hat hier man­ches zer­stört. Aber die rück­flie­ßen­den Was­ser­mas­sen haben die Gebäu­de auch mit viel Sand zuge­schüt­tet“, sagt Bernardes.

Des­halb ber­ge die Gra­bungs­stät­te noch viel Poten­zi­al, ist sich auch der deut­sche Archäo­lo­ge Her­mann sicher. Er wird auch im nächs­ten Jahr wie­der in Boca do Rio für das geo­ar­chäo­lo­gi­sche Labor am vor-und früh­ge­schicht­li­chen Semi­nar der Uni Mar­burg tätig sein.

Kürz­lich hat­ten Her­mann und Ber­nar­des rund 60 Teil­neh­mern eines inter­na­tio­na­len Tsu­na­mi-Sym­po­si­ums der Uni­ver­si­tät Lis­sa­bon zu Gast. Ihnen zeig­ten die bei­den, wie der Tsu­na­mi-Rück­fluss durch Sedi­ment­ab­la­ge­run­gen in Boca do Rio nach­weis­bar ist. Dort dürf­ten also noch man­che span­nen­den Geheim­nis­se im Unter­grund lagern.

Hans-Joachim Allgaier
Anzei­ge

Hans-Joachim Allgaier

Deutscher Journalist mit Know-how in Public Relations/Marketing/Corporate Communications - Portugal-/Algarve-/Alentejo-Liebhaber

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